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Betroffene Schüler:innen unterstützen

Traumapädagogik in der Schule

Junge Menschen mit traumatischen Erfahrungen brauchen die Schule als einen sicheren pädagogischen Ort. In diesem Dossier möchten wir Lehrkräften erste Tipps und Impulse zur Unterstützung von traumatisieren Schüler:innen an die Hand geben und hilfreiche Informationen und Materialien teilen.
Von Paula Römer
Traumapädagogik in der Schule

Was ist ein Trauma?

Ein Trauma ist eine seelische Verletzung oder Belastung, die durch ein extrem einschneidendes und überwältigendes Ereignis ausgelöst wird. Der Begriff stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet "Wunde" oder "Verletzung". Ein Trauma tritt auf, wenn eine Situation als existenzielle Bedrohung für das eigene Leben oder das Leben geliebter Menschen wahrgenommen wird. Dieses Ereignis geschieht plötzlich und heftig, und es versetzt den Betroffenen in einen Zustand extremer Angst, Schock oder Stress, der die normale Funktionsweise des Gehirns vorübergehend beeinträchtigt.

⚡ Die Auswirkungen eines Traumas können vielfältig sein und sowohl das emotionale, psychische als auch das physische Wohlbefinden einer Person beeinträchtigen. Zu den Symptomen gehören psychische, emotionale und physische Reaktionen wie Flashbacks, Angstzustände, Depressionen, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und körperliche Beschwerden.

Quelle: Staub, Tabea; Seidl, Sarah: Traumapädagogik. Grundlagen und Praxiswissen (Kindheits-) Trauma und traumapädagogische Standards (2024): Berlin, Springer Verlag.

 

💡 Es ist entscheidend, traumatisierten Schüler:innen angemessene Unterstützung anzubieten, die auf ihr Alter, ihre Entwicklungsstufe und ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Dazu gehören professionelle Hilfe wie Traumatherapie, psychosoziale Unterstützung und ein unterstützendes sicheres Umfeld in der Schule.

💙 Ganz wichtig ist: Du als Lehrkraft kannst keine Therapie ersetzen. Hier ist es wichtig, zusätzlich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im unteren Teil des Dossiers findest du hierzu Anlaufstellen und Tipps zur Unterstützung! 

 

Was bedeutet Traumapädagogik?

Traumapädagogik umfasst eine Vielzahl von Ansätzen, die darauf abzielen, belasteten Kindern und Jugendlichen in der Schule einen sicheren und förderlichen Ort zu bieten. Vier Leitgedanken treten dabei besonders hervor:

  1. Pädagogik des (äußeren) sicheren Orts: Zentral ist die Schaffung von verlässlichen und einschätzbaren Lebensräumen, in denen transparente Beziehungen im Mittelpunkt stehen. Diese Beziehungen bilden die Grundlage für eine gesunde psychische und soziale Entwicklung trotz traumatischer Erfahrungen.
  2. Pädagogik der Selbstbemächtigung: Die Förderung von Selbstverstehen, Selbstakzeptanz und selbststärkendem Umgang mit den Auswirkungen traumatischer Erfahrungen steht im Fokus. Dabei ist die Berücksichtigung sozialer Bezüge ebenso wichtig, insbesondere für Kinder und Jugendliche aus benachteiligten sozialen Verhältnissen.
  3. Pädagogik des »guten Grunds«: Diese Leitlinie basiert auf der Idee, dass das Verhalten von traumatisierten Schüler:innen stets einen »guten Grund« hat und vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen sinnvoll ist. Eine empathische Haltung gegenüber den Schüler:innen und ein tieferes Verständnis für ihre Verhaltensweisen sind entscheidend.
  4. Pädagogisches Fallverstehen als Basis des Handelns: Es ist essentiell, die individuellen Bedürfnisse, Wünsche und Ängste der betroffenen Schüler:innen zu verstehen, um adäquate pädagogische Unterstützung bieten zu können.

    Quelle: Zimmermann, David: Traumatisierte Kinder und Jugendliche im Unterricht. Ein Praxisleitfaden für Lehrerinnen und Lehrer (2017): Weinheim, Beltz Verlag.
Schule als sicherer Ort

Wie können Schüler:innen mit Traumata unterstützt werden?

Alle jungen Menschen, besonders aber diejenigen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, brauchen sichere pädagogische Orte. Dieser Rahmen hilft ihnen dabei, ihre Fähigkeiten wiederzuentdecken und ihre Schwächen und Stärken kennenzulernen.

Die Schule als sicherer Ort für traumatisierte Schüler:innen

Die folgenden Punkte sollten in Schulen berücksichtigt werden, um Schüler:innen mit Traumata zu unterstützen und ihnen in der Schule einen transparenten & sicheren Ort für ihre Entwicklung zu gewährleisten.

 

💛 Langfristige Bezugspersonen für Schüler:innen: Schüler:innen sollten über möglichst lange Zeiträume hinweg feste Bezugspersonen haben. Veränderungen, wie beispielsweise in der Klassenleitung, sollten sorgfältig vorbereitet und nicht plötzlich umgesetzt werden. Traumatisierte Schüler:innen müssen also erwachsene Beziehungspersonen erleben, die zuverlässig verfügbar sind und ihnen über einen möglichst langen Zeitraum als Beziehungsperson erhalten bleiben.

 

💔 Trennungen erleichtern: Bei personellen Wechseln, wie etwa in der Klassenführung, ist es wichtig, die Schüler:innen frühzeitig zu informieren und den Übergang so transparent wie möglich zu gestalten. Abschiedsrituale (z.B. Abschiedsbriefe) und Erinnerungsmöglichkeiten können helfen, Trennungen als weniger belastend zu erleben.

 

🗨️ Alltägliche Beziehungsangebote: Transparente und alltägliche Beziehungsangebote wie pünktliche Anwesenheit und feste Sprechzeiten bei Vertrauenspersonen helfen den Schüler:innen in ihrer Struktur und geben ihnen ein sicheres Gefühl.

Quelle: Zimmermann, David: Traumatisierte Kinder und Jugendliche im Unterricht. Ein Praxisleitfaden für Lehrerinnen und Lehrer (2017): Weinheim, Beltz Verlag.

 

Traumatisierte Schüler:innen als Lehrkraft unterstützen

🗨️ Gespräche suchen und Verhalten nachvollziehen: Viele Kinder und Jugendliche zeigen Verhaltensweisen als Reaktion auf traumatische Erfahrungen, die für Lehrkräfte und ihre Mitschüler:innen schwierig sein können. Oft vergessen wir jedoch anzuerkennen, dass diese Verhaltensweisen für sie Überlebensstrategien sind. Es ist wichtig, ihr Verhalten zu respektieren und zu verstehen, warum sie es zeigen. Um die Schüler:innen mit einer Warum-Frage nicht unter Druck zu setzen, kannst du deine Fragen zum Grund des Verhaltens in einem "Weil-Satz" formulieren. Durch einen "Weil-Satz" stößt du das Nachdenken über ihr Verhalten an. Indem du ihnen den Raum gibst, darüber zu sprechen, kannst du dazu beitragen, dass Verhalten besser zu verstehen und möglicherweise alternative Wege finden, damit umzugehen. Du solltest ihre Gründe akzeptieren und ihnen zeigen, dass du sie unterstützt, auch wenn ihr Verhalten herausfordernd sein kann.

  • „Du machst das weil, … ?“ „Ich mache das, weil …!“
  • „Ich könnte mir vorstellen, Du machst das, weil …!?“
  • „Ich kann mir vorstellen, das war sehr hilfreich für Dich, um in der Unberechenbarkeit zurecht zu kommen/ zu überleben!“
  • „Wir akzeptieren Dich, Deinen guten Grund und zeigen Dir auch, wenn wir nicht einverstanden sind, mit dem was Du tust.“  (Quelle: Positionspapier BAG Traumapädagogik)

 

⏱️ Transparenz im Tagesablauf: Strukturen und Routinen im Schulalltag können traumatisierten Schüler:innen Sicherheit und Orientierung geben. Lehrkräfte können regelmäßige Rituale einführen, wie z.B. einen gemeinsamen Morgenkreis oder feste Abläufe im Unterricht, die den Schüler:innen Halt geben und Verlässlichkeit vermitteln.

 

💛 Wertschätzung verdeutlichen: Das traumatisierten Schüler:innen Anerkennung und Wertschätzung entgegengebracht wird, ist von großer Bedeutung. Aufgrund ihrer vergangenen Erfahrungen von Machtlosigkeit und Hilflosigkeit fühlen sie sich oft minderwertig und projizieren diese negativen Beziehungsmuster und Gefühle auf ihre aktuellen Erfahrungen. Als Lehrkraft kann versucht werden, durch Wertschätzung dazu beizutragen, dieses Selbstwertgefühl zu korrigieren.

 

💪🏽 Stärkung der Selbstwirksamkeit: Durch die Förderung von Selbstwirksamkeitserfahrungen können Lehrkräfte dazu beitragen, dass traumatisierte Schüler:innen ihre eigenen Ressourcen erkennen und aktiv nutzen, um mit belastenden Situationen umzugehen.

 

👨🏽‍🏫 Traumasensibles Unterrichten: Lehrkräfte können ihre Unterrichtsgestaltung an die Bedürfnisse traumatisierter Schüler:innen anpassen, indem sie beispielsweise auf Triggerwarnungen achten, Rückzugsmöglichkeiten anbieten und die Schüler:innen bei der Bewältigung von Stress unterstützen.

 

💛 In unseren Dossiers "Growth Mindset in der Schule" und "Emotionale Kompetenzen bei Kindern fördern" bekommst du weitere Tipps und Ideen zur Stärkung der Selbstwirksamkeit und Emotionalen Regulation bei Schüler:innen, die helfen können. 


Quellen:
Traumasensibles Lernen und traumapädagogisches Arbeiten im Kontext Schule. Eine Handreichung von tsL e.V.

Staub, Tabea; Seidl, Sarah: Traumapädagogik. Grundlagen und Praxiswissen (Kindheits-) Trauma und traumapädagogische Standards (2024): Berlin, Springer Verlag.

The UN Refugee Agency: Traumahandbuch. Die Schule als sicherer Ort

 

Sprache hat Macht

Sprache hat Macht!

Wenn ein Schüler oder eine Schülerin als Symptomträger:in betrachtet wird, ist es präsent, dass ihr/sein Verhalten auf Symptome traumatischer Erfahrungen zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu wird ein Kind, das als Störenfried oder Störenfrieda angesehen wird, häufig als Ursache für Probleme betrachtet, die durch Entfernung aus dem Unterricht gelöst werden können. 

Versuche dir immer wieder bewusst zu machen, dass das Verhalten einer traumatisierten Person ein Symptom des Traumas sein kann, das nicht zwangsläufig mit dir und deinem Unterricht zusammenhängen muss. 

Quelle: Traumasensibles Lernen und traumapädagogisches Arbeiten im Kontext Schule. Eine Handreichung von tsL e.V.

Hilfsangebote & Material zur Unterstützung traumatisierter Schüler:innen

 

📞 Auf der Website des Projektes "HilfT - Schnelle Hilfe in Traumaambulanzen" findest du eine Übersicht über Traumaambulanzen in ganz Deutschland.

 

Unsere Schulflix-Dossiers geben dir außerdem einen guten Überblick zu Themen wie: 

💛 Der Nahostkonflikt im Unterrichtsalltag – Tipps & Materialien

 

💛 Schule und Krieg

 

💛 Zur Inklusion geflüchteter Schüler:innen

 

Mit folgender Zusammenstellung von Materialien, Leitfaden und Handbüchern kannst du dich tiefergehend zum Thema "Trauma & Schule" informieren:

 

💡 The UN Refugee Agency: Traumahandbuch. Die Schule als sicherer Ort. 

 

💡 The UN Refugee Agency: Flucht und Trauma im Kontext Schule. Handbuch für PädagogInnen

 

💡 Traumasensibles Lernen und traumapädagogisches Arbeiten im Kontext Schule. Eine Handreichung von tsL e.V.

 

💡 BafF: Traumasensibler und empowernder Umgang mit Geflüchteten. Ein Praxisleitfaden. 

 

💡 Herzog, Marianne: Trauma und Schule (Einführung in die Traumapädagogik)

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