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Es ist keine Seltenheit, dass es in hiesigen Schulklassen Kinder gibt, die kein Deutsch sprechen. Durch die Flüchtlingskrise von 2015 und später in Folge des Ukrainekriegs sind nochmal mehr Kinder nach Deutschland gekommen, die schulpflichtig sind, aber kein Deutsch sprechen.
Für Geflüchtete und andere Zugewanderte jeden Alters ist es extrem wichtig, die deutsche Sprache zu lernen. Denn ihre Sprachfähigkeiten entscheiden über Karrieremöglichkeiten, Schulerfolg und letztlich zu einem großen Teil über ihr Leben in Deutschland.
Für Erwachsene gibt es Integrationskurse, um Deutsch zu lernen. Sie werden von Lehrkräften mit entsprechender DaZ-Fortbildung oder einem DaZ-Studium geleitet. Kinder hingegen erlernen Deutsch zum größten Teil in der Schule. Der Schulbesuch ist für sie allerdings zunächst eine große Herausforderung. Denn ohne Sprachkenntnisse können sie dem Regelunterricht nicht folgen.
Deshalb gibt es vielerorts sogenannte "Willkommens- oder DaZ-Klassen". Geflüchtete Kinder werden darin getrennt von den Regelklassen unterrichtet und meist ein Schuljahr lang intensiv in der deutschen Sprache geschult. Betreut werden diese Klassen oft von Lehrkräften, die keine Erfahrung in der Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache haben.
Abgesehen von der fehlenden Erfahrung in der Vermittlung von Sprache ist der DaZ-Unterricht häufig aus weiteren Gründen eine Herausforderung für Lehrer:innen. Die Zusammensetzung der Klassen ist sehr heterogen. Die Kinder stammen in der Regel aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Erstsprachen (Muttersprachen) und haben ungleiche Schulkarrieren hinter sich.
Sie sind möglicherweise durch Kriegserfahrung traumatisiert oder schlicht eingeschüchtert von ihrer neuen Umgebung. Außerdem fluktuiert die Zusammensetzung, weil während des laufenden Schuljahrs neue Kinder zur Klasse hinzukommen und andere sie wieder verlassen (etwa wegen eines abgelehnten Asylantrags).
Damit du Deutsch als Zweitsprache effektiv unterrichten kannst, ist es wichtig, dass du verstehst, wie Kinder überhaupt eine fremde Sprache erlernen.
Ein entscheidender Aspekt ist, dass ein Kind beim Lernen von Deutsch als Zweitsprache Erfahrung aus seiner Erstsprache mitbringt. Es muss das Konzept Sprache nicht wie ein Baby von null auf erlernen. Das zeigt sich in den ersten Sprechversuchen: Schüler:innen verwenden zu Beginn nicht nur einzelne Wörter („Ball“), sondern versuchen gleich, mehrere Wörter aneinanderzureihen oder Sätze zu bilden („Ball geben“).
Außerdem lernen Kinder im Grundschulalter eine fremde Sprache und deren Regeln zu einem großen Teil spielerisch und beiläufig. Wie gut, ist abhängig davon, wie viele Sprachkontakte sie haben und von welcher Qualität diese sind (etwa Gespräche mit Muttersprachlern oder Unterhaltungen auf Deutsch mit anderen Geflüchteten).
Das Ziel im DaZ-Unterricht ist es, dass Kinder lernen, kompetent Deutsch zu sprechen. Sprachkompetenz setzt sich aus vier Fertigkeiten zusammen:
👂🏼 Hörverstehen: Diese Fertigkeit beinhaltet Laute und Lautfolgen zu verstehen, Silben- und Wortgrenzen zu erkennen und Wort- und Satzakzent sowie Satzmelodie wahrzunehmen. Zu Beginn ist es besonders wichtig, Lautbildung und Intonation zu üben. Das funktioniert etwa durch das Bilden von Reimen, Silbenklatschen oder dem Nutzen von Akzentzeichen.
💬 Sprechen: Die Sprechfertigkeit entwickelt sich schrittweise vom Nachsprechen zum eigenständigen Sprechen. Sie kann durch Gedichte, Reime, Raps, Nachsprechen, rhythmisches Sprechen oder Lieder gelernt werden. Wichtig ist besonders die richtige Artikulation. Denn sie ist die Grundlage, um in der Zweitsprache verstanden zu werden.
📚 Lesen: Die Schlüsselkompetenz für schulischen Erfolg. Sie kann geübt werden, sobald Laut-Zeichen-Beziehungen gesichert und ausreichend Begriffe in der Zweitsprache bekannt sind. Man beginnt mit kurzen, einfachen Sätzen, die idealerweise von Bildern begleitet werden. Vor allem bei langen Wörtern kann es helfen, Silben zu markieren. Mehr Infos zu Leseförderung findest du in unserem Dossier.
✍🏾 Schreiben: Die komplexeste der vier Sprachfertigkeiten. Sie setzt sich aus den Komponenten Technik, Buchstaben-Lautzuordnung und Orthografie zusammen. Die Schreibentwicklung ist ein langer Prozess. Im ersten Schritt kann man einzelne Wörter schreiben, dann folgen Sätze und zuletzt ganze Texte.
💡 Wichtige Bestandteile des Unterrichts von Deutsch als Zweitsprache sind außerdem Phonetik, Wortschatz und Grammatik.
Für das Lehren von Phonetik fehlt Lehrkräften oftmals das entsprechende Hintergrundwissen. Sie können falsche Aussprache schlecht korrigieren und haben häufig schlicht zu wenig Zeit, sich diesem Aspekt zu widmen. Das führt dazu, dass Kinder Aussprachefehler verinnerlichen. Diese Fehler beeinträchtigen, wie gut sie Deutsch verstehen und selbst verstanden werden.
Im Vordergrund des DaZ-Unterrichts steht meist der Wortschatz. Ihn zu etablieren ist ein komplexer Prozess. Gestik, Mimik und Bildmaterial helfen dabei, Wortschatz einzuführen.
Auch der Grammatik wird viel Zeit gewidmet. Ziel ist es, den Kindern die Strukturen des Deutschen in thematisch sinnvollen Zusammenhängen beizubringen, damit sie sie sicher anwenden können.
💛 Eine Erkenntnis ist elementar für den Unterricht von Deutsch als Zweitsprache: Eine Sprache zu erlernen, dauert. Man kann diesen Prozess durch das explizite Lehren von Sprachregeln und -strukturen unterstützen. Wichtig ist aber auch anzuerkennen, dass letztendlich jede Unterrichtsstunde eine DaZ-Stunde ist und dass Kinder Deutsch nicht nur explizit im Sprachunterricht, sondern vor allem auch implizit im (Schul-)Alltag lernen.
Wenn du Deutsch als Zweitsprache (DaZ) unterrichtest, haben wir einige konkrete Tipps für dich, wie dein Unterricht gelingen kann – auch wenn du keine Vorerfahrungen im Sprachunterricht hast.
Es ist für ein Kind ohnehin nicht einfach, zu einem bestehenden Klassenverband hinzuzukommen. Eine besondere Herausforderung ist es aber, wenn es keine Deutschkenntnisse hat. Du kannst einige Dinge tun, um solchen Schüler:innen den Einstieg in ihre Schullaufbahn in Deutschland zu erleichtern:
Schüler:innen in DaZ-Klassen haben in ihren Heimatländern schon einiges gelernt. In Deutschland müssen sie in einer anderen Sprache gewissermaßen neu anfangen.
Du kannst deinen Schüler:innen zeigen, dass du ihre Heimat und ihr bisheriges Leben wertschätzt, indem du ihre Sprachen in den Deutschunterricht mit einbeziehst. Frage sie, wie bestimmte Dinge in ihrer Erstsprache heißen oder lass sie diese mit dem Deutschen vergleichen. Das fördert ihre Lernmotivation.
Für den Lernfortschritt ist es auch völlig ok, wenn sich Schüler:innen mit der gleichen Erstsprache in dieser unterhalten, um sich gegenseitig Hilfestellung zu leisten.
Als Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache wirst du von deinen Schüler:innen unweigerlich als Autorität im Deutschen angesehen. Deshalb ist es wichtig, dass du besonders auf deine Sprache und Ausdrucksweise achtest.
Versuche, stets, langsam, deutlich und hochdeutsch zu sprechen, damit die Kinder dich gut verstehen. Deine Aussprache darf auch etwas übertrieben penibel sein, um das Hörverstehen der Kinder zu unterstützen.
Vermeide idiomatische Wendungen, die für Schüler:innen verwirrend sind. Redewendungen wie „auf der Leitung stehen“ oder „das ist Jacke wie Hose“ sind für Deutschlernende unverständlich, da sie sie wörtlich nehmen. Formuliere am besten vollständige und einfache Sätze und nutze Gestik und Mimik, um deine Aussagen zu unterstützen.
„Ich schlage das Heft auf“, „ich schreibe an die Tafel“, „ich öffne das Fenster“ – wenn du im DaZ-Unterricht deine Handlungen zeitgleich benennst, lieferst du deinen Schüler:innen zusätzliche Informationen, die ihr Verständnis fördern.
Das funktioniert natürlich auch anders herum: Wenn du neue Worte einführst, deute auf die entsprechenden Gegenstände oder verdeutliche sie mit einer Handbewegung.
Fehler gehören beim Sprachenlernen dazu und sind auch wie überall sonst Helfer (siehe dazu unser Dossier zu Growth Mindset in der Schule)! Sie stellen Zwischenstufen auf dem Weg zur Sprachkompetenz dar. Deshalb ist es wichtig, dass du mehr auf den Inhalt des Gesagten als auf dessen korrekte Form achtest. So machen Schüler:innen schneller Fortschritte.
Bei expliziten Sprachübungen solltest du Fehler deiner Schüler:innen allerdings aufzeigen, damit sie sich nicht festigen. Erkenne jedoch immer zunächst das Korrekte an. Erst dann folgt die Fehlerkorrektur. Idealerweise wiederholst du eine fehlerhafte Äußerung in der korrekten Form. Auch nonverbale Korrekturzeichen oder das Zuflüstern der richtigen Äußerung sind empfehlenswert.
Beziehe bei der Fehlerkorrektur auch die Mitschüler:innen ein. Denn Kinder lernen viel voneinander. Frage die anderen Schüler:innen, ob die gehörte Äußerung richtig oder falsch war. Frage sie, wo der Fehler lag und wie es richtig heißt.
Im Internet gibt es viele Lehrmaterialien für DaZ. Wir haben ein paar Quellen an Lehrmitteln für dich herausgesucht:
Ein interessantes kostenpflichtiges Angebot hat auch die hybride Lernplattform deutschfuchs.de, mit der du jedes Kind ohne Aufwand individuell fördern kannst. Deutschfuchs bietet digitale Inhalten für Kinder von 6-10 Jahren.
Wusstest du schon?
Definition Mehrsprachigkeit= Das Beherrschen zweier oder mehrerer Sprachen
Fakt ist: Etwa die Hälfte aller Menschen weltweit wachsen mehrsprachig auf. Mehrsprachigkeit ist global gesehen nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall.
❌ Mythos: Das Codeswitching (= die Verwendung von zwei Sprachen in einem Satz) sollte unbedingt vermieden werden. Es sei ein Zeichen dafür, dass die Person „doppelt halbsprachig“ sei – dass sie weder im Deutschen noch in der anderen Sprache Zuhause sei und beide Sprachen nur halb könne.
❗ Doppelte Halbsprachigkeit ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht nicht haltbar. Menschen die Codeswitchen sind vielmehr „doppelt vollsprachig“ (in beiden Sprachen Zuhause).
✔️ Ein zweisprachiger Mensch hat Zugang zu zwei Sprachen und kann das Wort ohne Zögerung in der anderen Sprache sagen, wenn sein Gesprächspartner diese auch spricht.
✔️ Oft handelt es sich beim Codeswitchen aber um Ortsnamen, ein Amt oder eine Bezeichnung
✔️ Es ist wahr, dass viele zweisprachige Kinder viele Wörter, die sie in einer Sprache kennen, in einer anderen Sprache nicht kennen – Grund: Einige Sachen kennen sie nur von Zuhause (bspw. Vokabeln aus dem Alltag wie Zähneputzen), Fachwörter hingegen kennen sie aus der Schule. Früher oder später brauchen sie die meisten Wörter in beiden Sprachen – die Lücken im Wortschatz schließen sich nach und nach.
❌ Mythos: Es gebe eine Sprache ohne Grammatik.
❗ Dies kann es gar nicht geben! Man könnte sich nicht verständigen, wenn man Wörter nur irgendwie verwenden würde.
✔️ Zweisprachige Menschen haben oft das Gefühl, dass man etwas in ihrer Familiensprache einfach so sagt, weil sie in dieser nie Grammatikunterricht hatten. Linguistisches Wissen ist meist etwas unbewusstes.
❌ Mythos: Jeder hat eine Muttersprache.
❗ Was ist mit den Menschen, die schon in frühester Kindheit zwei Sprachen gelernt haben z.B wird Zuhause Türkisch gesprochen, mit den Nachbarn aber Deutsch. Es ist ein Irrtum zu behaupten, die Muttersprache wäre die Sprache, die man besser könne. Muttersprache wird zudem oft mit Nationalität/Abstammung verwechselt.
✔️ Es ist in der Sprachwissenschaft üblich nicht von der Muttersprache, sondern von der Erst- und Zweitsprache zu sprechen (L1 & L2) – aber nur wenn gewährleistet ist, dass eine Sprache wirklich vor der anderen erlernt wurde. Sonst kann man von Familiensprache sprechen.
❌ Mythos: Einwanderer sollen ihre Familiensprache aufgeben, damit sie sich ganz auf das Deutsch konzentrieren können. Man geht davon aus, dass man sich besser auf eine Sprache konzentrieren kann.
❗ Mehr als die Hälfte der Menschen wächst Mehrsprachig auf. Man kann Sprachen zudem nicht einfach aufgeben oder sie bewusst vergessen. Totales oder partielles Vergessen einer Sprache durch eine gesunde Person ist möglich. Es geht aber nur sehr selten die gesamte Sprache verloren, sondern vielmehr die Fähigkeit, sich in ihr fließend zu unterhalten.
✔️ Es ist nicht möglich von jemandem zu erwarten, er könne seine Erstsprache aufgeben oder löschen, um sich besser auf das Deutsche zu konzentrieren. Man sollte die Mehrsprachigkeit auf keinen Fall bekämpfen, sondern sie als Ressource nutzen.