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Demokratiebildung in der Schule: Interview mit Peggy Eckert

Gespräch mit Milena Pflügl und Peggy Eckert

Demokratiebildung in Schulen und Demokratiekompetenzen sind wichtige Themen der heutigen Zeit. Aus diesem Grund hat Milena Pflügl, Schulflix Gründerin, ein kurzes Interview mit Peggy Eckert durchgeführt. Peggy übernimmt die kommissarische Leitung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung Sachsen und setzt sich für Demokratiebildung ein.

 

Demokratiebildung in der Schule: Foto von Peggy Eckert

Foto: Peggy Eckert (Quelle: dkjs P. Kuchel)

 

💡 Interview mit Peggy Eckert: Demokratiebildung in der Schule

Liebe Peggy, danke für deine Zeit. Wir sprechen gemeinsam über das Thema Demokratiebildung in der Schule. Du bist in der Deutschen Kinder und Jugend Stiftung für das Handlungsfeld Offene Gesellschaft und damit für Demokratiebildung und Teilhabe verantwortlich. Mit eurem Demokratieprogrammen fördert ihr Beteiligung und Partizipation.  

 

❓Mit euren Programmen fördert ihr u.a. Demokratiekompetenzen. Welche Kompetenzen brauchen SuS im Kontext einer Demokratie? 

“Es existieren zahlreiche Kompetenzmodelle in der Demokratiebildung. Als Minimalkonsens stellen Achour und Wagner (2019) eine Dreiteilung in Analysekompetenz, Urteilskompetenz und Handlungskompetenz fest. Im Rahmen unseres DKJS-Programms OPENION – Bildung für eine starke Demokratie haben wir praxisnah eine Sammlung an relevanten Demokratiekompetenzen zusammengestellt und jeweils mit einem realen Projektbeispiel verdeutlicht. Hierunter fallen unter anderem einen klaren Standpunkt zu entwickeln, Perspektivwechsel und Empathie, aber auch Team- und Konfliktfähigkeit. Darüber hinaus sind aber auch ein historisches Bewusstsein und Werteverständnis relevant.”

 

❓Warum ist Demokratiebildung gerade in der heutigen Zeit so wichtig? 

Die Wahlergebnisse in Bayern und Hessen, gerade bei den jungen Menschen, zeigen einen deutlichen Handlungsbedarf. Wir leben in einer Zeit multipler Krisen und wir wissen auch, dass es wichtig ist, dass sich junge Menschen durch Beteiligungserfahrungen als handlungsfähig und selbstwirksam erleben, um mit diesen Krisen umgehen zu können und als Persönlichkeiten zu wachsen. 

Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene haben während der Pandemiezeit die kollektive Erfahrung gemacht, dass sie und ihre Bedürfnisse nicht ernst genommen wurden. Hohe Prozentzahlen von jungen Menschen sagten in den Kinder- und Jugendstudien der Pandemiezeit, dass sie nicht das Gefühl hätte, dass ihre Sorgen gehört würden. Hier ist ein Vertrauensverlust passiert.” 

 

❓Hast du weitere Beispiele wie Lehrkräfte Demokratie nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch im Klassenzimmer erlebbar machen können? 

Demokratiebildung an Schule lässt sich mit Blick auf die letzten KMK-Empfehlungen in drei gleichwertigen Säulen beschreiben:

1. Demokratiebildung als demokratische Schulkultur

2. Demokratiebildung als fächerübergreifendes Prinzip und

3. Unterrichtsfach politische Bildung.

Mit Blick auf die erste Säule kann ich allen Klassenlehrer:in die Einführung eines Klassenrates empfehlen. Hier lernen Kinder und Jugendliche die Grundlagen demokratischer Entscheidungen und eingeständig Konflikte in der Gruppe zu lösen. Ein Beispiel für die zweite Säule ist die Verbindung aktueller gesellschaftlicher Themen in allen Unterrichtsfächern. Für das klassische Unterrichtsfach politische Bildung oder wie es in den jeweiligen Bundesländern heißt, empfehle ich thematische Planspiele oder die Durchführung von Probewahlen, welche grundlegende demokratische Prinzipen spielerisch begreifbar machen.”

 

❓Sicher spielt bei der Auseinandersetzung mit dem Thema das Alter der SuS eine Rolle – Hast du Tipps für altersgerechte Ansätze? 

Gute Demokratiebildung setzt an den diversen Lebenswelten junger Menschen an und bezieht sie in die Gestaltung von Demokratieprojekten ein. Das Kennenlernen ihrer Lebenswelten nimmt Jugendliche mit ihren Interessen, Erfahrungen, Fähigkeiten und Aktivitäten ernst und setzt dort stärkenorientiert und diskriminierungskritisch an. Lebensweltenorientierung unterstützt einen niederschwelligen und interessensgeleiteten Zugang, sie geht auf die diversen Bedürfnisse junger Menschen ein. Sie bietet damit allen Beteiligten einen guten Einstieg in die Demokratiebildung und kann bereits im Kindergartenalter beginnen.” 

 

❓Stolpersteine gibt es ja überall: Welche Herausforderungen treten bei der Demokratiebildung auf und wie kann man diese am besten meistern? 

 “Gutgemeinte Demokratiebildungsprojekte können manchmal auch gegenteilige Effekte bei jungen Menschen auslösen – Politikverdruss. Ein Beispiel hierfür ist eine Schüler:innenbefragung die dann keine Folgen hat. Wenn eine Befragung durchgeführt wird, erzeugt es die Erwartung gehört zu werden und idealerweise eine positive Veränderung anzustoßen. Wenn dann zwar Ergebnisse generiert werden, jedoch eine Rückkopplung – bspw. Diskurs zur Machbarkeit – ausbleibt, kann das Gegenteil von Selbstwirksamkeit, die erlernte Hilflosigkeit, erfolgen.”

 

❓Wie kann digitale Bildung, deiner Erfahrung nach, dabei unterstützen, demokratische Prozesse im Unterricht zu integrieren? 

Wenn digitale Bildung nicht nur auf die Bearbeitung von negativen Erscheinungen, wie beispielweise die Bearbeitung von Fake News, beschränkt bleibt, ergeben sich immense Chancen. Kinder und Jugendliche wachsen in hybriden Lebenswelten auf; daher bin ich stark dafür, neue Entwicklungen in den Schulalltag zu integrieren und nicht auszuschließen. Ein passendes Beispiel ist hier die Debatte darum, ob KI-Anwendungen im Kontext Schule verboten werden sollte. Dabei ist es viel wichtiger KI-Anwendung richtig anwenden zu erlernen.” 

 

❓Kritische Denkfähigkeit ist ein wichtiger Aspekt der Demokratiebildung. Wie können Lehrer:innen, deiner Meinung nach, diese Fähigkeit bei ihren Schüler:innen fördern? 

 “Kritisches Denken ist eine Fähigkeit, die Kinder und Jugendliche durch regelmäßige Übung erlernen können. Ein methodischer Zugang ist hier das Philosophieren. In den letzten Jahren sind zahlreiche Fachtexte und Methodensammlung für die Primär- und Sekundärstufe entstanden. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat hier in den letzten Jahren praxisnahe Handreichungen unter dem Titel “Gedankenflieger – Philosophieren mit Kindern” veröffentlicht. Auch wir haben für die Entwicklung der Qualitätskriterien kooperativer Demokratiebildung mit Jugendlichen philosophiert.”  

 

❓Inwiefern setzt ihr euch bei der DKJS mit Demokratiebildung auseinander? 

 “Im Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Jugendalter haben wir Qualitätskriterien für gute Demokratiebildung entwickelt. Letzte Woche haben wir das Reflexionstool, die Qualitätskriterien kooperativer Demokratiebildung und ein passendes Reflexionsheft veröffentlicht. Wir haben 4 Jahre lang in einem partizipativen Prozess mit Jugendlichen, Fachkräften aus schulischen und außerschulischen Einrichtungen, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik intensiv an der Entwicklung gearbeitet und gefragt: Was braucht gute Demokratiebildung? Jetzt ist ein großer Meilenstein erreicht und wir freuen uns riesig, die Ergebnisse mit euch zu teilen. 

Das Tool richtet sich an Demokratiebildner:innen und unterstützt bei der Reflexion und Weiterentwicklung der eigenen Projekte: Mit einer kurzen Selbsteinschätzung können sie ihre Projekte verorten und durch die individuelle Auswertung direkt in Reflexionsprozesse gehen, sich in der umfassenden Materialsammlung Impulse zur Weiterentwicklung holen oder fachlich in die Qualitätskriterien eintauchen. Das Reflexionsheft steht in einer Print-Version zur Verfügung, kann aber auch digital genutzt werden.” 

 

❓Welche weiteren außerschulischen Projekte, Initiativen und Materialien für die Demokratiebildung kannst du empfehlen und wie können Schulen sich am besten damit vernetzen? 

Es gibt so viele tolle Beispiele für gelungene Demokratiebildung. Hier möchte ich kurz auf die die aktuell erschiene Toolbox Demokratiebildung der Hertie-Stiftung verweisen. Die Toolbox greift dabei unterschiedliche Methoden und Themen u.a. Partizipation und Selbstwirksamkeit, Debatten und Perspektivwechsel, Kontaktmöglichkeiten zu Politik sowie Medienkompetenz auf.”  

 

❓Hast du ein Lieblingsprojekt oder -initiative, an der du gearbeitet hast, das Demokratiebildung vorantreibt? Was macht es besonders? 

Demokratie kann man nicht für genug lernen Deswegen ist Demokratiebildung in Grundschulalter ein Herzensthema für mich. Dort gibt es noch viel Handlungsbedarf. Es braucht noch mehr konkrete Methoden für den Unterrichtsalter, einen stärkeren Fokus auf diesen Themen in der Lehrkräfteausbildung, aber auch Austausch und Vernetzung für Lehrkräfte. Es ist wirklich eine großartige Erfahrung mit Kindern Demokratiebildungsprojekte umzusetzen. 

 Ein weiteres Thema was mich gerade sehr umtreibt ist die politische Beteiligung von Mädchen* und jungen Frauen. Diese müssen wir stärken sich aktiv einzubringen. Dazu haben wir kürzlich Handlungsempfehlungen veröffentlicht. 

 Aber auch das sächsische Programm Mitwirkung mit Wirkung liegt mir am Herzen. Seit über 20 Jahren setzten wir uns für eine demokratische Schulkultur ein. Hierzu arbeiten wir mit einem Peer-Education-Ansatz. Das heißt, wir qualifizieren junge Menschen zwischen 13 und 17 Jahren zu Schülermoderator:innen, welche anschließend in Tandems ihr Wissen und Know-How über gute Schülermitwirkung in Fortbildungen an andere Schülerräte weitergeben. Bundesweit gibt es vergleichbare Angebote vom SV Bildungswerk.”  

 

❓Zum Schluss: Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du im Bereich der Demokratiebildung an Schulen sofort umsetzen oder ändern? 

Ich wünsche mir Schulen als einen demokratischen Bildungsort, in dem konstruktiv um gute Lösungen mit allen an Schule Beteiligten gerungen wird.

 

Vielen Dank für das Interview, liebe Peggy!

 

Demokratiebildung – was ist das?

Demokratiebildung ist der Prozess des Lehrens und Erlernens demokratischer Prinzipien und Praktiken, der darauf abzielt, Individuen zu befähigen, als informierte, kritische und engagierte Bürger:innen in einer demokratischen Gesellschaft zu agieren.

 

Demokratiebildung an Schulen: Warum ist das so wichtig?

Demokratiebildung in der Schule ist aus mehreren Gründen wichtig:

  1. Förderung des Verständnisses für demokratische Werte und Prozesse: Schüler:innen lernen die Grundlagen der Demokratie, wie Meinungsfreiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit kennen. Dieses Wissen ist entscheidend, um als informierte Bürger:innen an der Gesellschaft teilzuhaben.
  2. Entwicklung von kritischem Denken und Meinungsbildung: Demokratiebildung hilft Schüler:innen, kritisches Denken zu entwickeln und eigene Meinungen zu bilden. Sie lernen, Informationen zu hinterfragen und sich eine fundierte Meinung zu bilden, was für die Teilnahme an demokratischen Prozessen unerlässlich ist.
  3. Förderung von Toleranz und Respekt: In einer demokratischen Bildungsumgebung lernen Schüler:innen, unterschiedliche Perspektiven zu respektieren und Toleranz gegenüber Menschen mit anderen Meinungen und Hintergründen zu üben.
  4. Verantwortungsbewusstsein und aktive Bürgerschaft: Demokratiebildung ermutigt Schüler:innen, sich aktiv an der Gesellschaft zu beteiligen und Verantwortung für ihre Gemeinschaft zu übernehmen. Sie lernen, wie wichtig ihre Stimme ist und wie sie sich für Veränderungen einsetzen können.
  5. Prävention von Extremismus und Radikalisierung: Durch die Vermittlung demokratischer Werte und die Förderung von kritischem Denken kann Demokratiebildung dazu beitragen, Extremismus und Radikalisierung vorzubeugen. Sie hilft jungen Menschen zu verstehen, warum demokratische Prinzipien wichtig sind und wie extremistische Ideologien diesen entgegenstehen.

Insgesamt trägt Demokratiebildung in Schulen dazu bei, eine Generation von informierten, verantwortungsbewussten und engagierten Bürgern zu fördern, die die demokratischen Grundlagen ihrer Gesellschaft schätzen und schützen.

 

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